Friederike Brion und ihre Zeit mit Johann Wolfgang von Goethe
„Ein Strahl der Dichtersonne fiel auf Sie, so reich, dass er Unsterblichkeit ihr lieh!“ Geleitet von diesem treffendem Ausspruch traf sich die Gemeinde von Meißenheim anlässlich des 200. Todestages von Friederike Brion, die „gute Tante“ zum Gedenkgottesdienst am Sonntagvormittag in der evangelischen Barockkirche in Meißenheim.
Unter den zahlreichen Besuchern befand sich auch eine Delegation aus Sessenheim (Elsaß), dem Heimatort von Friederike Brion.
Eine faszinierende Kraft, herzlich und aufopferungsvoll, segensreich wirkend über die Grenzen des Rheins hinweg, beschrieb Pfarrer Heinz Adler in seiner Predigt, die er im Elsässer Dialekt hielt, die Geliebte von Gothe. Zu der illustren Gesellschaft zählten sich neben den Landfrauen in ihrer Riedtracht auch Peter Weiß (Bundestagsabgeordneter) , sowie ein Nachfahre Goethes, Conrad Textor nebst Ehefrau.
Ehrfurchtsvoll und dankbar wenden sich auch heute, 200 Jahre nach ihrem Todestag, Bewunderer an die Dichterin, die über die Zeiten hinweg eine faszinierende Kraft auf die Nachwelt ausübt.
Wie muss es erst Johann Wolfgang von Goethe ergangen sein, als er zum ersten Mal in die Augen von Brion blicken durfte?. Die Pfarrerstocher von Johann Jakob Brion wohnte im elsässischen Sessenheim, im dortigen Pfarrhaus, als Goethe während seiner Straßburger Zeit als Student der Rechte, der Jurisprudenz, sie im Oktober 1770 kennenlernte. Gothe beschrieb später in „Dichtung und Wahrheit, im 10. Buch, die Begegnung mit der jungen Brion mit folgenden Worten: „In diesem Augenblick trat sie wirklich in die Türe; und da ging fürwahr an diesem ländlichen Himmel ein allerliebster Stern auf. Ein kurzes weißes rundes Röckchen, nicht länger als dass die nettesten Füßchen bis an die Knöchel sichtbar blieben; ein knappes Mieder und eine schwarze Schürze – so stand sie auf der Grenze zwischen Bäuerin und Städterin. Schlank und leicht, als wenn sie nichts an sich zu tragen hätte, schritt sie und beinahe schien für die gewaltigen blonde Zöpfe des niedlichen Köpfchens der Hals zu zart. Aus heiteren blauen Augen blickte sie sehr deutlich umher, und das artige Stumpfnäschen forschte so frei in die Luft, als wenn es in der Welt keine Sorge geben könnte; der Strohhut hing ihr am Arm, und so hatte ich das Vergnügen, sie beim ersten Blick auf einmal in ihrer ganzen Anmut und Lieblichkeit zu sehen und zu erkennen.“
Nur ein Jahr dauerte die Liaison zwischen Goethe und Brion, denn bereits im August 1771 beendete Goethe die Beziehung zu Friederike auf unrühmliche Weise, ohne viele Worte zu machen und ging alsdann nach Frankfurt zurück. Schriftlich erklärte er ihr dann später aus Frankfurt die Beziehung als beendet. Goethe wusste um seine schändliche Abreise und fühlte sich betroffen, wie es im 11. Buch Dichtung und Wahrheit hervorgeht: „Es waren peinliche Tage, als ich ihr die Hand noch vom Pferde reichte, standen ihr die Tränen in den Augen, und mir war sehr übel zu Mute.“ Goethe fühlte sich zum ersten Mail im Leben schuldig.
Doch wie das Leben so spielt, begegneten sich Goethe und Brion ein zweites Mal in Sessenheim. Goethe begleitete im September 1779 Herzog Karl August von Weimar in die Schweiz und machte einen Abstecher nach Sessenheim in das ihm bekannte Pfarrhaus, wo er „freundlich und gut aufgenommen“ wurde, wie er später mitteilte. Vorallem war er über die herzliche Freundschaft Friederikes überrascht und konnte daher frohen Mutes und in Frieden mit den Geistern der Vergangenheit ausgesöhnt, weiterreiten.
Friederike und Goethe fanden nie wieder zusammen. Wer jedoch nun glaubt, dass Friederike sich einschloss und mit dem Leben haderte, der täuscht sich.
Zu ihrer Zeit war sie sehr mobil, lebens- und unternehmungslustig. Die Stationen in ihrem Leben führten sie nicht nur nach Rothau im Breuschtal, Diersburg und Meißenheim. Auch Paris und Versailles wurden von ihr besucht. Ein solcher Mensch kann nicht in sich gekehrt sein, sondern zeugt davon, dass er sehr humorvoll war und aus Briefen geht hervor, dass Brion während der Abwesenheit von Sessenheim einen innigen Briefkontakt zu den Verwandten und Freunden führte.
Aber eines blieb im Leben der Friederike Brion immer aus: Die Ehe. Keinen Mann konnte sie mehr ihr Herz schenken, egal, wer um sie warb. So beschrieb Jakob Michael Reinhold Lenz:
„Denn immer, immer, immer doch schwebt ihr das Bild an Wänden noch, von einem Menschen, welcher kam und ihr als Kind das Herze nahm. Fast ausgelöscht ist das Gesicht, doch seiner Worte Kraft noch nicht.“
Vielmehr verschrieb sie sich der Hilfe ihrer Nächsten. 1801 übersiedelte Frederike in das Pfarrhaus ihres Schwagers nach Diersburg, wo sie ihre kränkelnde Schwester Maria Salome pflegte. 1805 zogen sie dann alle gemeinsam nach Meißenheim. In den acht Jahren, die Frederike in Meißenheim verbrachte übte sie eine segensreiche Tätigkeit aus. Sie widmete ihre ganze Kraft den Armem und Kranken in der Gemeinde und stellte sich in den Dienst der Allgemeinheit. Des Nachts backte sie heimlich Kuchen Von der Dorfgemeinschaft erhielt sie den Kosenamen „Die gute Tante!“
Aber auch an Goethe ging der Bruch mit Friederike nicht ungeachtet vorbei. Lange quälten ihn Schuldgefühle. Literaturwissenschaftler wollen in Goethes „Faust“ in „Gretchen“ Friederike Brion wiedersehen.
In dem einem Jahr, dass Friederike und Goethe gegönnt war, entstanden unter anderem die Sessenheimer Lieder und das Heideröslein. Mit den Sessenheimer Liedern wurde in der deutschen Lyrik eine neue Epoche eingeleitet, was letztlich Frederike Brion unsterblich machte. Goethe gewann durch die Sessenheimer Lieder die Fähigkeit, das tiefste künstlerische in der deutschen Sprache auszudrücken. Durch Friederike Brion wurden Johann Wolfgang von Goethe dichterische Impulse gegeben.
Auch heute noch hat das Thema das Friederike Brion vor weit über 200 Jahren beschäftigte – Liebesglück und Enttäuschung – nicht an Aktualität verloren.
Um dem Leben und Schaffen der Friederike Brion Anerkennung zu zollen, wurden am Grabe der „großen Tante“ Kränze niedergelegt. Grüße wurden vom Präsidenten der Goethe- Gesellschaft in Weimer, Herr Dr. Jochen Golz, sowie Herrn Prof. Raymond Matzen in Abwesenheit übermittelt. Peter Weiß legte im Namen der Goethe-Gesellschaft einen Kranz nieder, ebenso wie Gemeinderat Marcel Mochel und Philipp Klein aus Sessenheim und Meißenheims Bürgermeister Alexander Schröder. Das Umfeld der Gedenkstätte war vom Bauhof Meißenheim nach Ideen von Frank Wagner umgestaltet und neu angelegt worden.